Entscheidungshilfen und Glossar

geschrieben ca. 2007, durchgesehen in April 2022

Vorspann zum Glossar: Entscheidungshilfen

Es besteht ein großer Überfluss an Finanzbegriffen sowohl im Englischen als auch im Deutschen, wobei der Überfluss in den beiden Sprachen bei einzelnen Begriffen sehr unterschiedlich verläuft. D.h. zwei oder drei Synonymen auf Deutsch stehen mal zehn englische Termini gegenüber, aber auch mal umgekehrt.

Man könnte von Dialekten (vor allem innerhalb der englischen Finanzwelt) sprechen, aber nicht so sehr im geographischen Sinne. So befinden sich Ausdrücke, die angeblich britisch sind, nicht selten in US-Abschlüssen, wie auch umgekehrt.

Zum Teil ist diese Vielfalt auf verschiedene Denkweisen oder Ansätze zurückzuführen und nicht einfach auf die Verwendung verschiedener Wörter, die sonst synonym wären. So beißen sich ein wenig die Begriffe „accrual“ und „provision“, nämlich der zeitlichen Einteilung einerseits und der Vorsorge in Form einer Rückstellung andrerseits. Es bestehen auch feine begriffliche Unterscheidungen, die aber dauerhaft vernachlässigt und somit abgenutzt wurden, so z.B. der Unterschied zwischen „expense“ (Aufwand) und „cost“ (Kosten). Idealerweise müssten deshalb die verwendeten Begriffe innerhalb eines Textes aufeinander abgestimmt sein.

Die Vielfalt der begrifflichen Möglichkeiten hat zur Folge, daß innerhalb eines Textes sowie eines Unternehmens es immer wieder zu uneinheitlichen Wendungen kommt. Vermischte Ausdrucksweisen stören ästhetisch, wirken aber auch verwirrend. Sie stellen nicht etwa eine wünschbare Abwechslung in der Sprache dar, die in bestimmten Grenzen durchaus aufrecht gehalten werden kann, sondern sorgen eher für eine künstliche Kompliziertheit. Dies geht zu Lasten der schnellen Auffassung durch den Leser, der u.U. aus ganz anderen sprachlichen Räumen (z.B. Japan) stammt und somit alles doppelt schwer hat. Das Durcheinander beeinträchtigt letzten Endes auch für alle die Transparenz.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, auf welche Möglichkeiten man sich festlegen soll. Man könnte z.B. diejenige Ausdrücke wählen, die am verbreitesten sind oder sich historisch (etwa innerhalb eines Unternehmens oder einer Branche) durchgesetzt haben. Das lässt sich aber nicht leicht feststellen und läuft Gefahr, in der Praxis erst recht für Unordnung zu sorgen.

Wenn man mehrere (einsprachige englische) Fachwörterbücher oder sonstige Fachliteratur in die Hand nimmt, in denen Definitionen angeboten werden, kommt man zwar weiter, aber ganz schlüssig wird man noch immer nicht. Daher will ich im Folgenden einige Grundsätze – oder Entscheidungshilfen – wie man bei der Auswahl vorgehen kann. Anschließend bespreche ich bestimmte Termini.

Entscheidungshilfen

1.
Manche Begriffe sind sehr allgemein und abstrakt, andere konkreter. Der Grad der Abstrahierung beziehungsweise der Konkretisierung sollte – soweit nichts im Einzelfall dagegen spricht – bei der Übersetzung beibehalten werden.

II.
„soweit nichts im Einzelfall dagegen spricht“ bedeutet, daß man durchaus Kompromisse angesichts der Gängigkeit oder sprachlicher Natürlichkeit der gewählten Übersetzungen eingeht.

III.
Damit werden auch feststehende, gut eingeführte Übersetzungen angesprochen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Rechnungslegungssprache neu zu ordnen.

IV.
Anmerkung zu Grundsatz I.: Die englische Sprache ist in aller Regel weniger abstrakt als die deutsche. Eine Schwierigkeit bei der Übersetzung besteht darin, ohne größere Kenntnisse der Begebenheiten (des Vorganges, des Hintergrundes), spezifisch zu sein, dabei aber die Inhalte nicht zu verfälschen.

V.
In Abwandlung zu Grundsatz I.: Bestimmte Wörter kommen in Finanztexten in verschiedenen Bedeutungen gehäuft vor. Z.B. „account“ bzw. „accounts“, „provision“, „liability“ bzw. „liabilities“. Wenn diesen ausgewichen werden kann, so soll das auch geschehen. (Z.B.: Die Hälfte der Bilanzposten ließe sich in Zusammensetzungen entweder mit „asset“ oder „debt“ bzw. „liability“ ausdrücken. Um dieser Eintönigkeit entgegen zu wirken, bietet es sich an, auch Ausdrücke wie „bank borrowings“, „trade payables“ oder „property, plant & equipment“ zu verwenden.)

VI.
Kürzere Ausdrücke sind in der Regel vorzuziehen. In Tabellen ist der Platz öfters beschränkt. Im Fließtext sind die Sätze häufig ohnehin sehr lang und nicht selten verschachtelt. Daher lieber zwei Wörter als vier, ceteris paribus.

VII.
Man soll die Konsequenz nicht zu weit treiben. Es reicht, sich bei jeder Abwechslung zu fragen, ob sie eine Verunsicherung auslösen kann oder wirklich eine stilistische Verbesserung darstellt, da die verwendeten Synonyme im Kontext von jedem als solche erkannt werden dürften. Stil ist wichtig, um ein angenehmes und produktives Lesen zu fördern.

VIII.
Der IASB übt Großen Einfluss auf die Rechnungslegung und deren Sprache aus und dieser Einfluss wird eher zunehmen. Es bietet sich an, im Zweifelsfalle die in den IFRS und IAS niedergelegten (aber nicht vorgeschriebenen!) Termini, auch außerhalb dieses Bereichs aufzunehmen. Dazu gehören aber zwei Einschränkungen. Zum einen: die Sprache des IASB ist selber nicht einheitlich. Zweitens, sie ist auch nicht immer gut (und sie verspricht schwülstiger zu werden). Es handelt sich also eher um ein Maßstab, der nur dann heranzuziehen ist, wenn sich die Sache nicht bereits aufgrund der anderen Kriterien hat entscheiden lassen.

IX.
Jeder Finanzübersetzer/Wirtschaftsprüfer/Betriebswirt hat im Laufe der Ausbildung und des Werdegangs die eigenen Präferenzen entwickelt und diese gilt es auch einigermaßen zu respektieren, aber auch kritisch zu überprüfen. Um richtig und falsch geht es nur in Ausnahmefällen.

X.
Vieles hat mit Mode zu tun. Man muss zwar nicht jede Mode mitmachen, aber ganz außer acht lassen sollte man sie auch nicht.

Empfehlungen & Anmerkungen zur Übersetzung einzelner Begriffe

Rückstellungen = provisions
Anmerkung: „Accruals“ gefällt mir eigentlich besser, scheint aber aus der Mode gekommen zu sein. „Provisions“ ist leider auch das Wort für Bestimmungen (gesetzliche, vertragliche) und leistet daneben Dienst als ein Wort für: Bereitstellung; Versorgung; Beschaffung; Vorräte; und Verpflegung. Die feinen begrifflichen Unterscheidungen zwischen „accrual“ und „provision“ wäre ein Thema für sich (das oben kurz angesprochen wurde).

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen = trade receivables
Alternativen: „trade accounts receivable“ als ob das Wort „accounts“ in Finanztexten zu selten anzutreffen wäre (Grundsätze V und VI); das britische „trade debtors“, als ob diese Schuldner ins Gefängnis gehörten. U.v.a.m.

Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen = trade payables
Anmerkung mutatis mutandis wie bei Forderungen aus L. & L.

verbundene Unternehmen = affiliated enterprises
Anmerkung: „affiliates“ und „affiliated companies“ sind gute Alternativen. Ich habe mich für „affiliated enterprises“ anstelle „affiliated companies“ entschieden, da es sich gelegentlich um Kommanditgesellschaften handelt, die streng genommen „partnerships“ sind und eben keine „companies“. Wenn schon im Deutschen mal zwischen „Unternehmen“ und „Gesellschaft“ unterschieden wird, bietet es sich an, diese Unterscheidung in der Übersetzung fortzuführen, ohne lang zu hinterfragen, ob im Einzelfall die Unterscheidung in Deutschen auch eine begriffliche – und nicht nur eine stilistische – ist. (Grundsatz I)
Demnächst wird vielleicht „affiliated entities“ benutzt, da sich das Wort „entity“ Karriere macht. (Grundsatz VIII)
„Affiliates“ gefällt mir eigentlich besser, da kürzer; ich habe aber vorerst davon abgesehen, da es meinen Beobachtungen zufolge in Übersetzungen aus dem Deutschen zumindest wenig benutzt wird. Es könnte sich im übrigen auch auf natürliche Personen beziehen. (Grundsatz VI aber dagegen Grundsatz I und vielleicht Grundsatz III.)

Anlagevermögen = fixed assets
Alternativen: long-lived assets (US); non-current assets (IASB). „Fixed assets“ ist historisch verankert, universal bekannt und kurz. „Non-current“ dürfte als Unwort gelten.

Risikofrüherkennungssystem = risk detection system
Alternativ: risk early recognition system: ist umständlich, etwas wörtlich, das Wort „recognition“ kommt öfters gehäuft vor. Damit sprechen für „risk detection system“ Grundsätze I, II, V, VI.

konzernintern = intragroup
Alternativ: intercompany. Dieses könnte sich aber auf Beziehungen mit konzernfremden Firmen beziehen. IASB benutzt „intragroup“.

Ergebnisabführungsvertrag = profit & loss adoption agreement
Alternative: profit & loss transfer agreement. „Transfer“ kommt aber sonst häufig in anderen Bedeutungen vor, „adoption“ dagegen wenig, so z.B. im Zusammenhang mit der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung („the financial statements were adopted“). Auch hier gebe ich „adopted“ den Vorzug vor „approved“ und aus ähnlichen Gründen.
Alternative: In Umschreibungen: “the parent company absorbed the losses of its subsidiary” u.v.a.m. “Profit & loss pooling agreement“ mag ich nicht, da „pooling“ hier wohl anders verwendet wird als etwa bei „cash pooling“.

Gesamtaussage des Jahresabschlusses = overall import of the financial statements
Alternative: Umschreibungen, etwa mit: „the financial statements taken as a whole“

Auszahlungen = Disbursements
(in der Kapitalflussrechnung, da präziser als „payments“, die sonst nur Zahlungen sind).

Amtsgericht = municipal court of ...
Alternative: local court of ...

Hauptversammlung = shareholder meeting
Alternative: shareholders meeting. Mal gibt nur einen Aktionär (etwas bei Konzernen), dann müsste es heißen: shareholder's meeting. Man sprich aber auch von shareholder value, und nie von shareholders' value. Das Apostroph ist umständlich und unnötig.

unverzüglich: without undue delay
Alternative: without delay. Es ist nicht alles brandeilig, eine Zeitverzögerung ist menschlich unvermeidbar.

Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten = bank borrowings
Alternativen: bank liabilities, liabilities to banks, bank debt.
„Borrowings“ kommt in der Regel sonst wenig vor, dafür ist die Bilanz öfters voll mit „liabilities“ oder „debt“. „Borrowings“ ist außerdem sehr präzise als Begriff.

Fremdkapital = outside capital